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CMI Ostafrikanische Region
der indischen Karmeliter



Krisen unserer Zeit sind Chancen unserer Zeit

Kaum war der Fußballspieler Cacau auf dem Fußballplatz in Durban in Südafrika beim ersten Spiel (am Sonntag, den 13 Juni), schoss er ein schönes Tor für Deutschland. Drei Tage später widmete eine der angesehensten und international bekanntesten Zeitung Deutschlands eine volle Seite für das Interview mit Cacau unter dem Titel: „Man muss wissen, wer man ist“. Was mich am meisten an diesem Interview fasziniert hat ist der Mut eines einfachen Christen, über seine eigene schwere Kind- und Jugendzeit aber auch über seinen Glauben and Jesus Christus offen zu sprechen. An einer anderen Stelle im Interview erzählte er von seinem blitzschnellen Torschuss: „Wer Gott liebt, dem dient alles zum Besten!“ Darüber hinaus: Cacau war in dem Interview mit einem T-Shirt: „Danke Jesus“ abgebildet. Im Gegensatz zu den Fifa Regeln sagte er: „Man kann Jesus von unseren T-Shirts wegnehmen, aber nicht von unseren Herzen“ … Man kann an Kleinigkeiten zeigen, dass man an Gott glaubt.“ Ist Cacau ein Modell neuen missionarischen Wirkens in einer säkularisierten Welt von heute?

Eine Woche vorher widmete dieselbe Zeitung eine volle Seite für ein anderes Interview mit dem katholischen Bischof von Fulda, Algermissen über die Zukunft seines Bistums und der katholischen Kirche in Deutschland. Der Titel des Interviews hieß: „Sie (Kirche) wird kleiner und ärmer werden“.

Seitdem ich jetzt im Sommer hier wieder in Deutschland bin, denke ich ganz wach über die Entwicklungen in der Kirche und in der Gesellschaft hier nach. Wenn ich ehrlich bin, möchte ich zurückhaltend über all die Ereignisse und Entwicklungen unserer Zeit sein. Dennoch beschäftigen sie mich ganz besonders als Mensch, als Christ und auch als Priester.

Mit den neusten Entwicklungen ist die Kirche zu einem Spagat gezwungen: zwischen Modernität und Fortschritt einer Gesellschaft einerseits, die unaufhaltsam säkularisiert voranschreitet und andererseits zwischen der Tradition und den christlichen Werten, die zum untrennbaren Wesen der Kirche gehören. Obwohl in den ländlichen Gebieten die Kirche und auch der Glaube im Leben und im Denken der Christen einigermaßen noch präsent sind, schreitet der Verfallsprozess des kirchlichen Lebens und Glaubens unaufhaltsam voran. In den Städten ist dieser Zustand längst eine Wirklichkeit. Die Kirche ist jetzt schon bedeutend kleiner geworden und die Menschen nehmen sie kaum noch wahr. So zum Beispiel das Rhein-Main-Gebiet mit seinen über fünf Millionen Menschen und seinem Zentrum Frankfurt am Main, in dem ich über ein Jahrzehnt lebte und mich immer wieder aufhalte. Stadt Frankfurt am Main unterscheidet sich ganz stark in seinem Wesen von den ländlich christlichen Gegenden: ein Knotenpunkt des Verkehrs, der Kunst und der Wissenschaft, der Medien und der Messen, der Verlage und der Finanzen. Das Zentrum der Stadt mit seiner unübersehbaren Skyline ist längst von den gigantischen Banken beschlagnahmt worden. Man sieht ihre Macht sogar an der Höhe, wo das Geld sitzt und woher sie die Welt regieren. Und die Kirche ist im Schatten der Glaspaläste kaum noch wahrnehmbar. Der Kaiserdom, der wesentlich kleiner ist als die Bankenskyline, wird kaum als ein Ort einer Glaubensgemeinschaft verstanden und wahrgenommen, sondern sie ist ein bewundernswertes Monument unter den anderen wichtigen Touristenattraktionen auf dem Römerberg. Die Kirchenbesucherzahl in Frankfurt beträgt höchstens noch drei bis vier Prozent. Was wären oft die Gottesdienstgemeinden im Stadtgebiet, ohne die Christen anderer Muttersprachen? Jeder dritte Katholik in Frankfurt spricht nicht deutsch als Muttersprache. Die Präsenz der Kirche in der Stadt ist mehr am Dienst der Caritas wahrzunehmen, obwohl die Hilfsbedürftigen nicht mal wissen, im wessen Namen die Caritas ihren Dienst leistet. Wenn sie gefragt werden, sagen sie auch, dass sie keinen Unterschied zwischen kirchlichen und anderen Hilfsorganisationen spüren.

 

Wer und was sind wir dann überhaupt? Woran soll die Welt erkennen, dass wir Christen sind? Der Rest der Christen allein ergibt noch lange keine lebendige Glaubensgemeinschaft. In unserer Gesellschaft ist Religion längst zur Privatsache geworden: „Glaube …? Das ist meine Privatangelegenheit!“ Diese Überzeugung ist für den modernen Menschen absolut heilig und unantastbar. Der Bischof von Fulda, einer Stadt, wo der Heilige Bonifatius begraben ist, von dem unsere Vorväter den christlichen Glauben empfingen, und wo jedes Jahr die deutschen Bischöfe mit ihren Fragen und Problemen sich versammeln, äußert sich kritisch: „Die Kirche als eine Gemeinschaft wird in den kommenden 10 bis 15 Jahren noch viel kleiner und vor allem ärmer werden“.

„Kirche ist am kleiner werden“: Das ist ein sehr schmerzlicher Prozess, dass die Kirche eine kleine Minderheit unter den „Andersgläubigen“ und „anderen Gläubigen“ und sogar unter den „Nicht-Gläubigen“ sein wird.

„Kirche ist am ärmer werden“: Die zweite Prognose des Bischofs von Fulda ist der materielle Verlust der Kirche: Sie kann nicht mehr all das leisten, was sie heute noch leistet. Sie wird hier im Lande viel an Besitz und Reichtum verlieren. Und dieser schmerzliche Prozess hat schon begonnen. Wird damit die Kirche mit der Zeit den gleichen Zustand haben, wie zum Beispiel die Kirche in Afrika?

Was sagt Gott in dieser schmerzhaften Situation seiner Kirche und uns? Nehmen wir die leise Stimme Gottes zwischen den irritierenden und schmerzhaften Veränderungen überhaupt noch wahr, der uns seine Verheißungen neu entdecken lehrt und uns – gewiss mit sanftem Druck – zur Umkehr und Wandlung drängt?

Eines ist ganz sicher: Der lebendige Gott ist stets unendlich mehr als unsere Bastionen und Kirchenstrukturen mit ihren Bräuchen. Will er unserer konkreten und festgefahrenen Kirchengestalt die rote Karte zeigen? Die Krise in und mit der Kirche fordert uns unausweichlich heraus. Die Krise kann befreiend wirken, endlich zu sehen, was zu tun, was zu lassen oder was zu verlassen ist.

Krisenzeiten sind auch Chancen unserer Zeit, das Evangelium neu zu entdecken und sich neu an ihm zu orientieren. Was bedeutet es, dass die Botschaft vom Reich Gottes das Zentrum der Verkündigung Jesu ist? Wird eine ärmere Kirche doch eine bessere Chance für die Kirche überhaupt, um glaubwürdig ihre Botschaft zu verkünden? Denn wenn wir das Wirken Jesu betrachten, dann sieht man, dass die Armen die ersten sind, die dazu gehören. Obwohl er niemanden von seiner Liebe ausgeschlossen hat, weder die Reichen noch die Armen - standen die Armen ihm immer näher. Zu ihnen hat er anders gesprochen: „Selig seid Ihr …“. Jesus vertröstet sie nicht auf spätere Zeiten jenseits von Welt und Geschichte, sondern er beginnt zeichenhaft mit dem, was kommen wird.

Die Option Jesu für die Armen ist die eigentliche Stärke einer Weltkirche. Die Kirche in Afrika, in Lateinamerika, und in Asien, steht eindeutig auf der Seite der Armen und Entrechteten. Wo der Luxus einiger weniger zur Beleidigung der Massen zum großen Elend führt, da erhebt die Kirche ihre Stimme, da greift die Kirche den Armen unter die Arme. Ohne die Armen würde es dort keine Kirche geben. Davon kann ich als ein bescheidener Missionar in Kenia, in Ostafrika, genügend Beweise geben. Denn die Armen sagen uns, mit und ohne Worte, was der kirchliche Dienst an der Welt beweisen muss, nämlich konkrete Taten. Daran kommt man nicht vorbei, wenn man dort im Namen der Kirche lebt und wirkt. Die Echtheit unserer Verkündigung wird immer wieder daran gemessen. Darum ist die Kirche aufgefordert, sich dort für bestimmte Projekte zu engagieren.

Wie Sie längst wissen, bin ich von solch einem Projekt, das eine nachhaltige Lösung anbietet, sehr begeistert. Durch die Spenden der Menschen aus diesem Land, aus den verschiedenen Gemeinden, Gruppen und von einzelnen Personen ist in den letzten Jahren die erste Phase des Projekts einer Land- und Viehwirtschaftsschule verwirklicht worden, nämlich der Kauf des Grundstücks für das Projekt. Nach dem ersten Erwerb von 10 Hektar Land, konnten wir im letzten Jahr noch 5 Hektar Grundstück mit allen Dokumenten erwerben. Diesen Erwerb des Grundstücks habe ich nach den Beratungen mit Experten vollzogen, damit die Nachhaltigkeit des Projekts sicher gestellt ist. Nun steht die Aufgabe des Bauens der Einrichtung an, wofür meine Mitbrüder sich einsetzen werden. Ich tue mein Möglichstes für die Verwirklichung des Projekts. In den letzten ca. 30 Jahren konnten wir, die Missionare aus Indien einige Projekte mit Hilfe von außen in den 5 Bistümern aufbauen. Ich bin im Namen der Menschen dort, der Bistümer und meiner Mitbrüder, Ihnen allen sehr dankbar für all Ihre Unterstützung.

Schwestern und Brüder im Glauben! Ich bin auch davon überzeugt: Als Christen haben wir alle gemeinsam einen Auftrag, als die eine Weltkirche, an den Problemen der Welt und an unserer Kirche, sei es dort oder hier, mitzuarbeiten. Ich gebe zu, dass die momentane Situation der Kirche hier im Lande deprimierend ist und die Hauptamtlichen sowie die Ehrenamtlichen es schwer haben. Als ich noch hier in der Seelsorge tätig war und manchmal alles sehr schwierig schien, aus eigener Schuld oder auch durch die Umstände - habe ich bei meinem geistlichen Begleiter Zuflucht genommen. Ich habe ihm heulend von meiner „Zerreißprobe“ erzählt. Er hat mit viel Geduld und großem Verständnis zugehört und mich auch verstanden. Er war ein begnadeter Zuhörer und Ermutiger. Und als ich ihm einmal sagte, dass ich ernsthaft überlege die Gemeindeseelsorge zu verlassen, hat er mir eine Bibelstelle als Hausaufgabe mitgegeben. Ich sollte öfters über den Text meditieren. Es ist die Stelle, wo der Evangelist Johannes über die Spaltung unter den Jüngern berichtet. Jesus lehrte seine Zuhörer über das Himmelsbrot in der Synagoge von Kafarnaum. Johannes hat den Wortwechsel genau dokumentiert: „Was er sagt, ist unerträglich. Wer kann das anhören?“ (Joh 6: 60 b). Und später schreibt Johannes: „Daraufhin zogen sich viele Jünger zurück und wanderten nicht mehr mit Jesus umher. Da fragte Jesus die Zwölf: Wollt auch ihr weggehen? (v. 67 b). Und diese Frage ist in mir geblieben: „Willst auch Du weggehen?“ (vgl. v. 67 b). Und wohin wollen wir denn gehen? Ja, „man muss wissen, wer man ist“, sagt Cacau.