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CMI Ostafrikanische Region
der indischen Karmeliter



Globalisierung - Gerechtigkeit für alle Menschen ...?                                 [Dr. Paul Chummar]

Ich bin weder ein Computerfreak noch ein Internet-Junky.  Dennoch benutze ich fast jeden Tag den Computer für meine Arbeit. Während der Vorbereitung auf die Predigt zum Dreifaltigkeitssonntag  meldete der Computer zur Recht-schreibungsprüfung Folgendes:

 Das Wort „Dreifältiger Gott“ gebe es nicht und zur Korrektur gibt es nur „Dreibeiniger Gott“. „Dreibeiniger Gott“?
Vielleicht ist es der Zeitgeist, der auch von einem dreifaltigen Gott nichts versteht. Aber wir könnten diese Meldung von „drei Beinen“ in Bezug auf unseren Glauben zu verstehen versuchen. „Drei Beine“ unseres Glaubens, der Glaubenspraxis und der Gemeinde sind:

Leiturgia“, Gottesdienst als Feier des Glaubens und der Sakramente,  mit der Verkündigung,
Koinonia“, Dienst an der Einheit der Christen,  und
Diakonia“, Dienst an den Armen,  an den Notleidenden.
Für einen Missionar in Afrika gäbe es vielleicht  kein wichtigeres Thema als über „Diakonia in der Gemeinde“ mit Ihnen zu sprechen.

  Als Levi Jichak Rabbi wurde, vereinbarte er mit den Vorstehern seiner Gemeinde Folgendes: Man möge ihn nicht zu allen Versammlungen und Besprechungen laden, es sei denn, wenn ein neuer Brauch  oder eine neue Ordnung in der Gemeinde einzuführen wäre. Einmal wurde er zu einer Versammlung geladen. Sogleich nach der Begrüßung fragte er: „Welches ist der neue Brauch, den ihr einsetzen wollt?“ Sie antworteten:  „Ja, wir haben einen neuen Brauch in die Gemeinde einzuführen.  Wir wollen,  dass die Armen fortan nicht mehr an der Schwelle unseres Gotteshauses betteln, sondern eine Büchse aufgestellt wird und alle Wohlhabenden tun Geld hinein, jeder nach seinem Vermögen und daraus sollen die Bedürftigen bedacht werden.“ 
Als der Rabbi dies hörte, sprach er: „Meine Brüder, habe ich denn nicht von euch erbeten, um eines alten Brauches und einer alten Ordnung willen  solltet ihr mich nicht der Lehre und des Zurückgezogenseins entziehen und zu eurer Versammlung laden?“ Erstaunt wandten die Vorsteher ein: „Unser Meister, es ist doch eine neue Einrichtung, die wir heute beraten!“ „Ihr irrt“, rief der Rabbi, „eine uralte ist es, ein uralter Brauch von Sodom und Gomorra her. Entsinnt euch, was erzählt wird von dem Mädchen, das in Sodom und Gomorra einem Bettler ein Stück Brot reichte: wie sie das Mädchen griffen und entkleideten und mit Honig bestrichen und den Bienen zum Fraße aussetzten  um des großen Frevels willen, den sie verübt hatte. Wer weiß, vielleicht hatten auch die Vorsteher dort eine Gemeindebüchse, in die, die Wohlhabenden ihr Almosen taten, um ihren armen Brüdern nicht ins Auge zu schauen!“ – So weit der Rabbi.

Schwestern und Brüder! Man könnte sagen: Vielleicht liegt der Ursprung der Sammelbüchse in Sodom und Gomorra. Und mit diesem lästigen Instrument machen wir die Menschen aufmerksam, dass es auch bei uns in der Gemeinde,  in unserem Land und in der Welt viele arme Leute gibt. Aber die unvermeidliche Nebenfolge der Sammelbüchse hat den geheimen Sinn, dass wir unseren armen Schwestern und Brüdern nicht in die Augen schauen müssen. Das ist schlimm, für die Armen, dass sie nicht beachtet werden, obwohl die Armen wahrscheinlich längst gewohnt sind, damit zu leben. Wir begegnen dem Evangelium in seinem Inhalt nicht mehr, wenn wir nicht mehr den Armen begegnen wollen,  sei es hier oder anderswo in dieser Welt. Unser dreifaltiger Gott begegnet uns nicht im indischen „Nirwana“  sondern direkt und unmittelbar in den Menschen unserer Gemeinden. Die Armen sind nicht nur „Objekt“ unserer Wohltaten,  sondern sie sind das direkte „Subjekt“ von uns und unserer Gemeinde.  Sie sind die Seelen der Kirche in der Dritten Welt,  die als ihr lebendiger Geist wirken,
und schließlich auch der Weg der „Evangelisierung der Kirche“. Kirchen sind, ja, sie müssen Anwälte der Schwachen und Armen werden.  

Deshalb wächst in den Kirchen eine Bewegung des Widerstandes gegen eine „Globalisierung“,  bei der die Freiheit des Marktes zur obersten Maxime geworden ist und die Würde des Menschen verloren geht.  Die kirchlichen Äußerungen stellen  die Globalisierung in ihrer Gesamtheit nicht in Frage,  gleichwohl gibt es ernstzunehmende Kritik  insbesondere aus der kirchlichen Entwicklungsarbeit heraus, die hier mehr Eindeutigkeit einfordert.

Während des G 8 Treffens in Heiligendamm sahen und hörten wir, wie die G 8 Gegner für Klimaschutz  und für mehr Gerechtigkeit für die Armen Afrikas aufmerksam machen wollten. Allerdings bin ich mit ihrer Art nicht einver-standen:  Gewalt kann nie ein Mittel zum Zweck werden.   

Schwestern und Brüder! Wenn wir über die Kirche und ihre Existenz in ihrer Gesamtheit nachsinnen, dann kommen wir zu einem nüchternen Ergebnis: Kein anderer Bereich der Kirchen hat so eine rasante Entwicklung durchgemacht, wie gerade die Caritas oder Diakonie mit zahlreichen Mitarbeitern für den Dienst an den Kranken und Notleidenden hier im Lande. Das ist die eine Seite.  Die andere Seite sind die vernachlässigten armen Menschen in der Weltkirche. Ihre Zahl nimmt zu, vor allem durch den Globalisierungsprozess. Der barmherzige Samariter aus dem Gleichnis Jesu ist allen ein Vorbild, ob jemand gläubig oder ungläubig ist,  er, der spontan den Notleidenden hilft  und den unter die Räuber Gefallenen wieder aufrichtet. Aber was ist dann,  wenn der geheilte Mann seinen Weg fortsetzt  und nach ein paar Wochen auf dem gleichen Weg zurückkommt und wieder unter die Räuber fällt? Dies ist die Wirklichkeit in den ärmsten Ländern unserer einen Welt, in Afrika. Milliarden Entwicklungshilfe aus Deutschland  wurde in den letzten 50 Jahren gegeben. Dennoch die Armut, das Elend nimmt zu.  Die einfachen Menschen, kleine Bauern, kleine Viehwirte, Nomaden werden unter den Globalisierungsprozess fallen.  
Die gigantischen Unternehmen, seien es einheimische oder ausländische, sie schlucken die kleinen Bauern, kleinen Viehwirte, vor allem, weil sie immer noch nach uralten Methoden wirtschaften. Da fragt man sich: wie soll nun die Situation anders werden. Da reicht es nicht, einfache Spenden zu sammeln, damit die Hungernden ein Essen bekommen,  sondern man braucht „Strukturen“,  die einfachen Menschen in ihrer Lage, in ihrer Umwelt stärken,  - stärken in ihrer Arbeits- und Lebensunterhaltung mit dem Ziel  - sie selbständig leben lassen.  

Globalisierung besitzt zwei Gesichter: Sie kann einerseits viele Vorteile bringen, birgt Chancen und weckt Hoffnungen. Sie produziert aber auch klare und belegbare Ungerechtigkeit und Ängste  für die einfachen Menschen, für die kleinen Geschäftsleute, kleinen Bauern, kleinen Unternehmen. Die freie Wirtschaft und der freie Markt sind  für manche zur neuen Religion geworden, aber auf Kosten der kleinen Leute.  Das erlebe ich in Afrika, Tag für Tag. Einer solchen Vergötterung des angeblich „freien Marktes“ auf Kosten  anderer müssen wir Christen widersprechen, weil dem Markt nach meiner Überzeugung ethische Kriterien fehlen. Ohne ethische Kriterien kennt der freie Markt keine sozialen Spielregeln.
Der Markt kann und muss also nach ethischen Kriterien gestaltet werden.  
 

Einer Vergötterung des freien Marktes als dem falschen Gott widersprechen wir als Christen schon deswegen, weil wir bekennen,  dass es keinen anderen Gott gibt als den dreieinigen Gott,  Vater, Sohn und Heiligen Geist, der das wirkliche Leben der Menschen durch seinen Sohn leben ließ.
  
 [Unser Papst Benedikt hat es wunderbar beschrieben,  wie der Glaube an einen dreieinigen Gott für unser Leben  und unserem Tun eine tiefe Bedeutung schenkt: „Gott wurde im Volk Israel als väterlicher Beschützer erfahren; (- denken wir an die Propheten, die sich gegen Ungerechtigkeit einsetzten -) in Jesus von Nazareth trat er als Mensch in die Geschichte ein. (- denken wir an Jesus, der sich immer wieder für die Notleidenden einsetzte -) Nach Jesu Tod erfuhren die ersten Christen Gott eben nicht mehr in menschlicher Gestalt, sondern in der unsichtbaren Weise des Heiligen Geistes.  Er gab den Christen (der Urkirche) die Glaubenskraft,  in einer ihnen feindlich gesonnenen Welt zu bestehen.“ (FNP, 26. Mai 2007, S. 32). Das ist unsere Situation:  wir leben heute mehr und mehr  in einer den christlichen Werten immer mehr feindlich gesonnenen Welt].   

Schwestern und Brüder!  Alle Menschen sind Gottes geliebte Kinder,  darum gehört zu unserem globalen Bewusstsein auch das Element der gegenseitigen Verantwortung,  der Sorge füreinander, des Einsatzes gegen Hunger und Not, Krankheit und Tod.  Deswegen engagieren sich die Kirchen in Deutschland  gerade auch mit Blick auf die internationalen Konsequenzen unseres Handelns in Fragen der Wirtschaftsethik.
Eine totale Trennung von dem Geiste Gottes  und dem wirklichen Leben der Menschen ist den Evangelien fremd.
Die Seiten der heiligen Schrift belegen das eindeutig. Darum müssen wir unbedingt neue Wege finden,  die zu einer Integration der Diakonie und Liturgie führen. Denn die Not eines Menschen ist nie teilbar, in geistliche und materielle.  „ ... Solidarität und Gerechtigkeit gehören zum Herzstück  jeder biblischen und christlichen Ethik." (Gemeinsame Texte der EKD und DBK S. 8)

Es muss möglich sein, dass eine Gemeinde Christi lebendig ist und bleibt, weil die Menschen in ihr ein lebendiges Leben führen wollen,  sei es hier oder sei Afrika. Der Ort der Seelsorge ist immer die Gemeinde, wo die Gemeindetheorie und Gemeindepraxis  unbedingt integriert werden müssen.
 Die Gemeinde ist immer der Ort, wo die Menschen niederfallen und wieder aufgerichtet werden müssen und nicht irgendwo im Abseits der Gemeinde. Am Ort der Seelsorge sollen die drei Grundvollzüge der Kirche  
- Verkündigung, Gemeinschaftsleben und diakonisches Wirken -  integriert werden und so zum Heil der Menschen beitragen. 
Liebe Schwestern und Brüder! Sie und Ihre Gemeinde haben in den letzten Jahren uns  und unsere Arbeit in Afrika, in Kenia großzügig unterstützt,  um vor allem die Integration von Verkündigung  und Dienst an Notleidenden zu ermöglichen. Ich möchte Ihnen und allen Spendern und Betern  für Ihre Unterstützung ganz herzlichen Dank aussprechen auch im Namen meiner 22 Mitbrüder aus Indien, die mit mir dort arbeiten.
Ohne Ihre Unterstützung wäre vieles nicht möglich gewesen, was wir dort für eine nachhaltige Lösung der Probleme  der einfachen Menschen tun und einrichten, sei es durch soziale Einrichtungen, Schulen oder Lebensnot-wendigkeiten.  Ich bin dieses Mal hier unterwegs, um Hilfen für eine nachhaltige Lösung in der Landwirtschaft der einfachen Afrikaner, der Landwirte und Viehhüter, den Maasais zu finden. Ganz konkret:  

Wir wollen eine einfache Bildungseinrichtung für die kleinen Bauern und Landwirte aufbauen, wo sie eine fachliche Ausbildung bekommen können, sowie schulische Ausbildung für die Kinder und Jugendlichen,  im Bistum Ngong, damit die kleinen Bauern und Landwirte nicht ihren Lebensraum,  ihre Familien, ihre Heimat und Umwelt der Existenz wegen verlassen müssen.

Sie geben nicht aus Ihrem Überfluss, sondern aus Ihrem Verzicht her.  Ich danke Ihnen für Ihr Opfer, das ein Heil für Menschen ermöglicht.  Als Gläubige sind wir in Jesus Christus tief verbunden.  Denn wir alle glauben an einen Dreieinigen Gott.  Und er hat unsere Welt erschaffen, wie wir es nachher im Glaubensbekenntnis aussprechen.    „Ich glaube an Gott,...., den Schöpfer des Himmels und der Erde“. Und dieser Erde,  dieser Welt, und den Menschen dieser Welt hat Gott das Heil verheißen. Dies lässt uns alle unendlich hoffen.

Amen!