Willkommen auf der Homepage der
CMI Ostafrikanische Region
der indischen Karmeliter



Staat ohne Gott ...?                     [Dr. Paul Chummar]

 

Wir sind Christen.

Was heißt das?

Wir sind getauft,

im christlichen Glauben unterwiesen;

wir kommen zum Gottesdienst, helfen den Nächsten

und tun unsere Pflicht.

Im großen und ganzen glauben wir alles,

was das Glaubensbekenntnis sagt.

Und doch unterscheiden wir uns kaum von denen, die nicht glauben.

Nicht selten ist zu hören:

„Die, die in die Kirche laufen, sind auch nicht besser als ich!“

 

Wir müssen immer wieder unsere eigene Identität,

ja, unsere Existenz als Christen

in Frage stellen, selbst kritisch werden:

 

„Wozu sind wir Christen dann noch da?“

Das läßt sich kaum mit einer glatten Formel beantworten.

Ich weiß nicht,

ob wir uns noch erinnern können,

was wir im alten Religionsunterricht gelernt haben:

„Wir sind auf der Erde, um Gott zu erkennen,

 ihn zu lieben, ihm zu dienen

 und einst ewig bei ihm zu leben.“

Sollte es das sein, was uns auszeichnet,

das Besondere, das uns unterscheidet:

„Wir sind da,

 um die Gegenwart Gottes unter die Menschen zu bringen,

 seine Gerechtigkeit und seine Liebe

 und seinen Frieden unter den Menschen spürbar zu machen“

 – da haben wir etwas Besonderes in uns,

 was die Nichtchristen nicht in sich haben.

Und wir müssen uns aber auch über Gott klarer werden,

wenn wir sagen und bekennen:

„Ich glaube an Gott und seinen Sohn Jesus Christus“.

Das Bekenntnis und die Identität eines Menschen sind untrennbar.

 

In der Präambel des Grundgesetzes von Deutschland steht,

„unser Volk habe sich im Vertrauen auf Gott

seine Verfassung gegeben.

Diese Formulierung selbst schätze ich als höchst wertvoll.

Ich wünsche mir sehr,

dass auch im europäischen Grundgesetz Gott seine Stellung erhält.

Europa und die Menschen hier sind nicht einfach neutral und gottlos!

Wenig praktizierende Christen heißt nicht automatisch,

dass wir nicht eine christliche Identität haben

und sie nicht benennen dürfen, einfach tot schweigen.

Ausgerechnet sollten wir im Namen Gottes ihn nicht rauslassen.

Denn Gott ist der einzige Garant für unsere wahre Freiheit.

 

Aber welchen Gott meinen wir da?

Einen Hüter der moralischen Ordnung?

Ist Gott dazu da, Ordnung und Sicherheit zu garantieren,

die Kriminalität einzudämmen,

eine Sperre gegen den Terrorismus zu bilden?

Glauben wir an ihn,

weil es sonst drunter und drüber geht?

Hat Gott die Funktion eines moralischen

und wirtschaftlichen Rückgrats unserer Gesellschaft?

Leider wird er oft so angesehen, im großen und im kleinen.

 

Oder: bei manchen ist Gott verantwortlich

für Hunger, Krieg, Krankheit, Tod, Elend

und Naturkatastrophen in der Welt.

Bei all diesen Vorstellungen über Gott ist eines im Hintergrund:

„Gott ist Mittel zum Zweck.“

 

Ist es uns bewußt, worum es geht in unserem Glauben und Leben?

Nicht selten geht es im Grunde nicht um Gott,

sondern darum,

daß das Kind schnell wieder brav wird,

daß im Staat Ruhe und Ordnung herrschen,

daß die gesellschaftlichen Verhältnisse sich

zu unseren Gunsten bessern.

Dazu muß Gott herhalten,

dafür muß er sorgen.

 

Schwestern und Brüder!

Es ist sehr merkwürdig:

Als ich in Deutschland Jahr zehnte lang als Seelsorger tätig war,

wurde oft eine Frage an mich gestellt,

vor allem, wenn jemand von einem Leid getroffen war:

„Warum, ... wieso, ... wie kann der liebe Gott so etwas zulassen?“

 

Und seitdem ich in Afrika unter den lebenslängliche Leidenden

und Armen lebe und für sie arbeite,

was ich kann und mit ihnen ins Gespräch komme,

höre ich für alles unlogische und erklärbare Leid, Krankheit und Tod

höchstens eine Erklärung aus ihrem tiefen Glauben heraus.

Und die heißt:

„Alles ist Gott ergeben!“ „Alles ist in seinen Händen!“

Vielleicht haben die einfachen Afrikaner besser verstanden,

die Worte der ersten Lesung von heute:

“Es gibt keinen Gott, Herr, außer dir,

 der für alles Sorge trägt“ (V. 13).

D. h. Der Glaube an Gott, an Jesus Christus an jemanden,

der unsere Sorgen und Nöten versteht und sie auch mitträgt,

Glaube an Gott und an Jesus Christus ist ein Leben mit der Wirklichkeit.

Der Unterschied zwischen den Gläubigen und Nicht Gläubigen

liegt darin,

wie man das Leben mit all seinen Wirklichkeiten führt,

mit einem Gott und ohne einen Gott.

In den Worten von Paulus in der zweiten Lesung wird es nochmals verdeutlicht, wie Gott uns und unser Leben annimmt:

„Der Geist nimmt sich unserer Schwachheit an“ (v. 26).

Darum können wir unser Leben - wie das sein mag -

vor Gott hinhalten und uns voll Zuversicht zu ihm bekennen.

 

Schwestern und Brüder!

Mich beeindrucken immer wieder

die Menschen in den Missionsstationen in Afrika,

wo ich an Wochenenden Gottesdienste halte.

Die Menschen kommen zu Fuß über vier, sieben

oder sogar zehn Kilometer in der glühenden Sonne.

Und als ein Fremder - Musugu Father, so rufen sie mich -

komme ich in ihre abgelegenen Gegenden

und feiere mit ihnen die Gottesdienste in meiner stolperigen Kikamba,

in ihrer Stammessprache,

was ich dann in Englisch predige, wird Satz für Satz übersetzt.

Sie sagen: „Wir wissen das zu schätzen:

Der Musugu Priester kommt zu uns jedes Wochenende

- ein Weg über 130 km gefahren - nur wegen

unseres Gottesdienstes.

Bitte nicht falsch verstehen:

Sie kommen nicht um meinet Willen,

sondern um des Glauben Willen, um des Gottesdienstes willen,

um Gottes Willen.

Darum versammeln sie sich an jeden Sonntag,

auch wenn es keine Eucharistiefeier gibt.

Sonntag für Sonntag versammeln sich die Menschen um Gott zu Ehren,

Gott zu danken, Gott zu bitten, an den sie glauben,

an dem sie ihr Leben verankern.

Und am Ende lassen sie mich nicht gehen,

ohne mir zuvor ein sehr feierliches Wort des Dankes

vor der versammelten Gemeinde auszusprechen

und mir ein paar Geschenke

- ein bisschen Gemüse, etwas Obst, ein Hühnerei, 10 Ksh, umgerechnet ca. ein halbes Cent - mitzugeben.

Oft habe ich mich gefragt:

Was bewegt sie, einem Fremden,

vielleicht nach unserer Vorstellung auch diesen ungebildeten Menschen

aus ihrem Herzen ein Zeichen der Dankbarkeit und Verbundenheit

zu setzen?

 

Schwestern und Brüder,

Es geht um Gott und den Dienst an Gott.

Keinen Gebrauch zum Selbstzweck.

Das Verschweigen des Glaubensbekenntnisses

und der christlichen Identität entsteht aus einer Angst,

ob wir uns zu Sklaven Gottes machen würden,

wenn wir unsere Identität bekennen aus der wir leben.

Aber es ist der Gott,

der uns aus der Unfreiheit und dem Elend herausgeführt hat,

und an den wir glauben.

 

Man fragte Rabbi Bunam:

„Es steht geschrieben:

‘Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus Ägypten führte.’

Warum heißt es nicht:

‘Ich bin der Herr, dein Gott, der ich Himmel und Erde schuf’?

Rabbi Bunam erklärte:

„Himmel und Erde – dann hätte der Mensch gesagt:

‘Das ist mir zu groß, da traue ich mich nicht hin.’

Gott aber sprach zu ihm:

Ich bin’s, der dich aus dem Dreck geholt hat,

nun komm heran und hör!“

 

Schwestern und Brüder!

Das gesamte Gesetz,

das durch Mose gegeben wurde hat nur ein einziges Ziel:

daß der Mensch die volle Freiheit erlangt

daß er nicht im Dreck der Unfreiheit bleibt

und er das kostbare Gut der Freiheit

nicht wieder verspielt,

daß er nicht in eine neue Abhängigkeit verfällt.

„Du sollst nicht vor etwas,

was du selbst gemacht hast,

in die Knie gehen!

Du sollst vor nichts mehr in die Knie gehen müssen,

allein und einzig vor Gott.

Denn ich, der Herr, habe dich freigemacht!“

 

Glaube an einen solchen, Gott beginnt dort,

wo wir Gott, Gott sein lassen,

wo wir aufhören, ihn immer wieder

nur vor unseren eigenen Karren zu spannen,

sondern ihn als den anerkennen und annehmen,

als den, der er ist:

der Schöpfer, der Vater, der Herr, der Retter.

 

Glaube an einen solchen Gott beginnt dort,

wo wir zunächst gar nicht fragen:

Was habe ich von Gott?

Wofür ist er gut?

Nützt er mir?

Bringt er mir was,

sondern ihn anerkennen, ihn loben und preisen

ihm danken, ihm gehorchen,

wo wir froh darüber sind,

daß er da ist, mitten in unserem Leben,

mit all unseren Tiefen und Höhen.

 

Ein Schüler fragte einmal seinen Lehrer:

„Sag mal, früher gab es Menschen,

 die Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen haben.

 Warum gibt es sie heute nicht mehr?

 Darauf der Lehrer:

„Weil sich heute niemand so tief bückt“ (x 2).

Können wir uns noch vor einem Gott,

der uns die Freiheit gibt, bücken?

 

Amen!